Die ERU ist eine relativ häufig vorkommende Augenerkrankung beim Pferd (ca. 6-9%). Sie führt in den meisten Fällen mittel- bis langfristig zur Erblindung des betroffenen Auges. Bei ca. einem Drittel der betroffenen Pferde erkranken beide Augen.
Auslöser der Erkrankung ist in den weitaus meisten Fällen eine durch Leptospiren verursachte bakterielle Infektion und eine daraus resultierende immunologische Reaktion gegen körpereigene Strukturen des inneren Auges.
Die auslösenden Leptospiren kommen überall vor und werden meist über Kleinnager (Mäuse, Ratten) verbreitet. Mangelhafte Stallhygiene erhöht den Infektionsdruck. Die Aufnahme der Bakterien erfolgt über Futter und/oder Wasser. Antikörperuntersuchungen zeigen, dass nahezu jedes Pferd im Laufe seines Lebens mit diesen Bakterien in Kontakt kommt. Warum einige Pferde infolgedessen eine ERU entwickeln, ist bisher nicht geklärt.
Klinische Symptomatik
Bei einer akuten inneren Entzündung des Auges (Uveitis) ist das betroffene Auge geschwollen und schmerzhaft. Meistens ist das Auge fast geschlossen und tränt sehr stark. Häufig sieht man eine Trübung im Bereich des vorderen Augenabschnittes. Ein weiteres Symptom ist die in allen Fällen stark verengte Pupille (Miosis).
Die Symptomatik kann allerdings von Pferd zu Pferd sehr unterschiedlich sein. Während bei vielen Pferden die starke Schmerzhaftigkeit nicht zu übersehen ist, gibt es auch Fälle mit geringen Krankheitsanzeichen, so dass dem Besitzer häufig nur ein leichter Tränenfluß oder vermehrtes Blinzeln auffällt. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass die Erkrankung als Lidbindehautentzündung unterschätzt und in Eigenregie behandelt wird. Dadurch bleibt die eigentliche Erkrankung lange Zeit unerkannt. Als Folge der abgelaufenen Entzündungsschübe entstehen charakteristischerweise Folgeschäden wie Verklebungen im Bereich der Iris, Linsentrübungen, Glaskörpertrübungen bzw. Einlagerungen im Glaskörper. Dies führt anfangs zur Beeinträchtigung der Sehfähigkeit und kann letztendlich zur vollständigen Erblindung führen. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien ist eine Verkleinerung des Augapfels zu erkennen. In seltenen Fällen kommt es zu einer sekundären Augeninnendruckerhöhung (Glaukom).
Diagnostik
Bei Verdacht auf ERU sollten die Augen des Pferdes umgehend mittels spezieller Spiegel sorgfältig untersucht werden, um insbesondere Veränderungen des Augeninneren beurteilen zu können. Sollte sich dabei der Verdacht auf eine ERU erhärten, können die Befunde mittels Sonographie (Ultraschall) verifiziert werden.
Zur weiteren Absicherung der Diagnose, kann in einer Kurznarkose etwas Flüssigkeit aus der vorderen Augenkammer entnommen und labordiagnostisch auf Antikörper gegen Leptospiren untersucht werden.
Behandlung
Ein akuter Schub muss unverzüglich behandelt werden. Zur sofortigen Weitstellung der Pupille wird das erkrankte Auge lokal mit Atropin in Tropfen- oder Salbenform versorgt. Zusätzlich erfolgt eine Behandlung mit cortisonhaltigen Augensalben. In der akuten Phase ist die häufige Medikamentengabe besonders wichtig. (optimal 6-8 x täglich). Begleitend sollte das Pferd systemisch mit entzündungshemmenden und schmerzlindernden Medikamenten versorgt werden.Trotz intensiver und konsequenter medikamenteller Therapie treten häufig Rezidive (erneute Entzündungen) auf. Die z. Zt. einzige Möglichkeit, weitere Entzündungsschübe und damit die fortschreitende Zerstörung des Auges zu stoppen, besteht in einer Glaskörperoperation (Vitrektomie). Je früher eine Vitrektomie durchgeführt wird, desto größer ist die Chance das Auge und damit die Sehfähigkeit zu erhalten.
Vitrektomie
Die Vitrektomie kann nur in Vollnarkose durchgeführt werden. Ziel der Operation ist es, verändertes Glaskörpergewebe des betroffenen Auges auszutauschen. Hierzu werden zwei kleine Zugänge über die weiße Augenhaut (Sklera) in den Glaskörper gelegt. Während über den einen Zugang unter optischer Kontrolle das Glaskörpermaterial sowie darin befindliche entzündliche Einlagerungen und immunologische Produkte abgesaugt werden, wird zeitgleich über den zweiten Zugang eine Ersatzflüssigkeit im gleichen Volumen- / und Druckverhältnis zugeführt. Danach werden beide Zugänge mit feinem Nahtmaterial verschlossen. Das Pferd erhält anschließend für einige Tage antibiotische Augensalben. In den weitaus meisten Fällen erfolgen keine Entzündungsschübe mehr und das Pferd ist damit beschwerdefrei. Außerdem wird postoperativ die Sehfähigkeit deutlich verbessert sein.
Vitrektomie – endoskopische Kontrolle des OP-Verlaufes (Foto: Dr. Martens)
In einigen Fällen ist die Erkrankung so weit fortgeschritten, dass eine Vitrektomie nicht mehr sinnvoll ist. Um dem betroffenen Pferd weitere Leiden zu ersparen, kann es in dieser Situation angezeigt sein, das erkrankte Auge zu entfernen. Um den kosmetischen Effekt dieses Eingriffes zu verbessern, wird in unserer Klinik ein Silikonimplantat in die Augenhöhle eingelegt. Darüber werden die Augenlider verschlossen. Das Implantat heilt i.d.R. komplikationslos ein und erhält für den Betrachter die Symmetrie des Pferdekopfes.