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Verdacht auf Gilbert-Meulengracht-Syndrom

Autor: cand. med. vet. Alexandra Fedtke, Dr. med. vet. Jürgen Martens

Ein 17 jähriger Fjordpferd-Wallach (Reitpferd) wurde wegen einer Leistungsdepression, die unter starker Belastung deutlich wurde, in der Außenpraxis vorgestellt.
Bei der allgemeinen Untersuchung konnte ein mittelgradiger Ikterus festgestellt werden, ansonsten zeigte sich der Wallach unauffällig. Bei diesem Besuch wurde eine Blutprobe (EDTA-Blut und Serum) entnommen und sowohl ein Blutbild, als auch ein Gesamtprofil erstellt. Im Blutbild konnte eine hochgradige Hyperbilirubinämie festgestellt werden. Es konnten keine erhöhten Aktivitäten der AST, AP, GLDH, gamma-GT und der LDH festgestellt werden. Daher konnte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine chronische Lebererkrankung als Ursache für die andauernde Hyperbilirubinämie ausgeschlossen werden. Die restlichen Parameter lagen ebenfalls im physiologischen Bereich.
Im Verlauf von 6 Monaten wurden erneut Blutproben (EDTA-Blut und Serum) entnommen und auf Anaplasmen und Erlichien untersucht.
Beide Untersuchungen waren negativ, ebenso wie der Coombs-Test und der Coggins-Test.

Um einen eventuell vorliegenden posthepatischen Ikterus ausschließen zu können, wurde die Gallensäurekonzentration gemessen. Diese lag im physiologischen Bereich. Zusätzlich wurde die Bestimmung des konjugierten und unkonjugierten Bilirubins durchgeführt. Dabei zeigte sich eine deutliche Erhöhung des unkonjugierten Bilirubins bei anhaltender Hyperbilirubinämie.
Zusammenfassend lässt sich sagen, aufgrund der anhaltenden Hyperbilirubinämie, sowie des erhöhten unkonjugierten Bilirubins, ohne einen klinischen oder labormedizinischen Hinweis auf ein Lebererkrankung oder hämolytische Anämie , liegt der Verdacht nahe, dass hier eine Ähnlichkeit zum Gilbert -Meulengracht Syndrom des Menschen vorliegt.

Tab.1 Blutchemische Untersuchung des 17 J. Fjordpferd-Wallachs im Verlauf

Bei dem in der Humanmedizin beschriebenen Gibert-Meulengracht-Syndrom handelt es sich um eine erbliche Erkrankung, der sowohl eine Störung der Bilirubinaufnahme in die Leberzelle, als auch eine Verminderung einer bestimmten Ezymaktivität (UDP-Glukuronyltransferase) zugrunde liegt. Bei Menschen kann die Erkrankung im Alter zwischen 20 und 40 Jahren mit folgenden Symptomen manifest werden:

  • Hyperbilirubinämie
  • ggr. intermittierender Ikterus
  • Leistungsdepression
  • normale Leberenzyme
  • uncharakteristische Oberbauchbeschwerden

Literatur: Schusser et al.: Kontinuierlich unkonjugierte Hyperbilirubinämie
Beim Pferd – Ähnlichkeit mit dem Gilbert-Meulengracht-Syndrom.
Tierärtzliche Praxis, 75 – 80, 2007.

 

Erkrankung des Nervensystems

Es handelte sich um einen 8-jährigen Oldenburger Wallach, der als Dressurpferd genutzt wurde. Das Pferd war in einem sehr guten Pflege -und Trainingszustand. Es wurde regelmäßig entwurmt und war ordnungsgemäß gegen Tetanus, Influenza und Herpes geimpft. Die erste Vorstellung in der Außenpraxis erfolgte am 18.03.2008 gegen 13:00 Uhr aufgrund von Fieber (40,3 °C) und Apathie. Das Pferd nahm weder Futter noch Wasser zu sich und stand mit deutlich gesenktem Kopf auf einer Stelle. Sämtliche Laborwerte lagen im Normbereich.

In den folgenden Tagen wurde das Pferd 2 mal täglich nachuntersucht. Trotz medikamenteller Behandlung (Antibiose, Antiphlogistika, Infusion) war das Fieber kaum zu senken und es erfolgte keinerlei Futter- oder Wasseraufnahme.
Die stationäre Aufnahme erfolgte am 21.03.2008 gegen 18:00 Uhr. In den nächsten Tagen zeigte das Pferd zunehmend folgende Symptome: Ängstlichkeit, Panik, Speicheln, hochgradige Ataxie, Manegebewegung und Gegen-die–Wand-drängen (nur nach links).
Eine Liquorpunktion (Punktion des Rückenmarkkanals zur Gewinnung von Hirn-/Rückenmarksflüssigkeit) unter Vollnarkose erfolgte am 23.03.2008. Dabei konnte eine leichte Gelbverfärbung (Xantochromie) des Liquors festgestellt werden. Zudem wurden Kopf und Halswirbelsäule in mehreren Ebenen geröntgt, wobei keine pathologischen Befunde erhoben werden konnten.

Als klinische Verdachtsdiagnose wurde eine akute Infektion mit dem Bornavirus gestellt. Therapeutisch erhielt das Pferd Antibiotika, Entzündungshemmer, Schmerzmittel, Infusionen und Amantatinsulfat.  Der Zustand des Pferdes verschlechterte sich zunehmend. In der Nacht vom 25.03 auf den 26.03.2008 kam das Pferd zum Festliegen. Es folgten starke Krampfanfälle mit Ruderbewegungen der Gliedmaßen und einem Ophistotonus (überstreckte Kopf-Halshaltung). Das Pferd wurde daraufhin euthanasiert.

Laborbefunde

Serum (Antikörpertiter)

  • EHV 1 und 4 positiv
  • EVA und EIA negativ
  • Leptospirose negativ
  • Borna negativ

Blutkultur

  • negativ (Bakteriologische Untersuchung)

Liquor (Virusnachweis)

  • EHV 1 und 4 negativ
  • Leptospira spp. negativ
  • Bakteriologische Untersuchung negativ
  • Bornavirus positiv (Nachweis mittels PCR)

Nasopharyngealtupfer (Virusnachweis)

  • EHV 1 und 4 negativ

Sektionsbefunde

In der Sektion wurde eine hochgradige Panenzephalitis (Entzündung des gesamten Gehirns) festgestellt. Histologisch konnten die so genannten Jost-Degenschen Einschlusskörperchen im Zellkern der Nervenzellen nachgewiesen werden.

DIAGNOSE: BORNASCHE KRANKHEIT

Bornasche Krankheit (BVD)
Die Bornasche Krankheit ist eine Infektionskrankheit des Nervensystems. Sie erhielt ihren Namen nach einem verlustreichen Seuchenzug um 1899 in der Stadt Borna.

Pathogenese
Es ist davon auszugehen, dass die Infektion bei einem überragend hohen Prozentsatz unter Pferden wie auch anderen Spezies verbreitet ist. In Untersuchungen wurden 30-70 % der Pferde als klinisch unauffällige Virusträger identifiziert. Der Manifestationsindex bezüglich Konversion in die Klinik mit ihren unterschiedlichen Verlaufsformen ist gering. Diese Virusträger sorgen allerdings für die Aufrechterhaltung der Infektionskette.
Der Infektionsweg ist unklar, ebenso die Tatsache, ob das Virus Speziesbarrieren überspringen kann.
Die Virusübertragung erfolgt wahrscheinlich per olfaktorischer/oronasaler Inhalationsinfektion. Es folgt eine Erregerausbreitung in das Nervensystem (Gehirn, Rückenmark) mit folgenden Entzündungsreaktionen.
Es wird eine saisonale Häufung der klinisch manifesten Infektionen im Frühjahr verzeichnet.

Klinik
Das klassische klinische Bild entspricht dem einer Enzephalitis oder Enzephalomyelitis (Entzündung des Gehirns und Rückenmarks).
Im Anfangsstadium der Erkrankung dominieren emotionale Veränderungen, Somnolenz (Schläfrigkeit) und Stupor (Teilnahmslosigkeit) das klinische Bild. Zum Teil besteht hohes Fieber. Mit Fortschreiten der Infektion manifestieren sich folgende Symptome: Störungen des Kau- und Schluckvorganges, Manege- und Zwangsbewegungen, Tortikollis (Schiefhaltung des Kopfes), Kopfanpressen bis hin zu finalen Krampfanfällen, Festliegen und Koma.
Die Mortalitätsrate liegt bei 80-100 %.

Diagnose
Die klinische Diagnose ist eine Verdachtsdiagnose. Die Laborparameter befinden sich im Referenzbereich. Eine Untersuchung des Liquor cerebrospinalis (Hirn-/Rückenmarksflüssigkeit) kann verwertbare Ergebnisse liefern. Der Nachweis von Antikörpern und Antigen ist in Speziallaboren möglich und untermauert die klinische Verdachtsdiagnose. Beweisend ist leider erst die Post-mortem-Diagnose. Pathognomisch sind die so genannten Jost-Degenschen Einschlusskörperchen im Kern von Nervenzellen (siehe Abbildungen), begleitet von den durch die Entzündungsreaktion bedingten typischen neurohistologischen Veränderungen.

Therapie
Neben symptomatischer Therapie bestehen Ansätze in der Gabe von verschiedenen Viruziden. Berichtet wird über eine klinische Besserung nach Gabe von Amantadinsulfat.

Prophylaxe
Möglichkeiten zur Prophylaxe gibt es unter praktischen Gesichtspunkten nicht. Die Entwicklung eines verwendbaren und wirksamen Impfstoffes ist derzeit nicht in Sicht.

„Joest-Degensche Einschlusskörperchen“ bei Bornascher Erkrankung des Pferdes in einer spezifischen Region des Gehirnes (polymorphe Ganglienzellen des Ammonshorns)

Autor: cand.med.vet. Ines Grzybowski, Dr. med. vet. Laura Neuhaus

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